Der Punkt…

ist erreicht an dem ich erkenne das die Erde, meine kleine Welt, eben doch rund ist. das vieles im Leben wohl rund ist und man unweigerlich immer wieder an dem Punkt ankommt von dem man gerade noch geflüchtet ist. Denn egal wie sehr du dich anstrengst diesen Punkt hinter dir zu lassen, er bewegt sich doch auf dich zu und kommt immer näher je weiter du dich von ihm entfernst !

Ich renne , nun gut mittlerweile rolle ich ja schon eine ganze weile weg. Ich versuche mich möglichst weit von dem Punkt zu entfernen an dem ich über grundsätzliches nachdenken müsste und erkennen müsste das es nichts zu verändern gibt. Aber je mehr ich mich eben von diesem Punkt versuche zu entfernen kommt er eben doch auch näher, denn auf einer runden Weltkarte des Lebens gibt es nur die eine Richtung, nämlich drauf zu! Du rennst also weg und für einen Moment lässt du alles hinter dir aber dann, viel schneller als du möchtest, bist du wieder auf dem direkten Weg zu diesem Ausgangspunkt der gerade noch hinter dir und nun vor dir auf der Zielgeraden liegt.

Mal wieder ein Gleichnis… ich weiß, aber manchmal ist es einfach so viel schonender für mich Gefühle so aus zu drücken.

Ich habe erkannt das der Zustand in dem ich mich gerade befinde nicht besonders gut ist, weder für meinen Körper noch für meine Gefühle und doch verharre ich darin. Meine Gedanken kreisen wie diese silberne Kugel beim Roulette und überdenken eine Lösung und landen doch immer wieder auf der Null! Schon wieder Sinnbildlich! Ahhhhh…. okay, schreiben wir es mal so wie es ist. Warum ich jetzt WIR geschrieben habe? Keine Ahnung!

Was auch immer gerade mit mir ist, es fühlt sich nicht gut an. Ich hatte ja schon von meiner abartigen Müdigkeit geschrieben. Ich weiß nicht ob dafür eine abfallende Sauerstoffsättigung verantwortlich ist, aber sie fällt eben dann doch etappenweise mal etwas ab! Ich finde es gar nicht so schlimm, denn wenn man bedenkt das ich von 100 möglichen Prozent selbst in schwächeren Momenten immer noch meistens 90% erreiche ist dies doch ein gutes Ergebnis und ich bin mir sicher das man doch auch jede Prüfung der Welt mit 90 von 100 Punkten bestehen würde. Ich will mich eigentlich nicht verrückt machen, aber ich tue es eben irgendwie doch! Das weitaus belastendere Symptom und für mich nachvollziehbareres mein ständig rasender Puls und mein völlig aus der Kontrolle geratener Blutdruck. (erwähnte ich ja auch schon) Ich sehe den Abwärtstrend und doch bin ich wie gelähmt (haha kleines Wortspiel am Rande) ich meine natürlich meine Gedanken die mich dazu veranlassen würden wohl jetzt schon mal zu handeln. Stattdessen rolle ich auf diesen Punkt zu an dem ich doch schon ein mal war und dachte ihn hinter mir gelassen zu haben. Ich rolle auf Entscheidungen zu die ich eventuell überdenken würde, aber eigentlich schon einmal getroffen hatte, auf Ängste die ich hinter mir gelassen hatte, die ich abgehängt hatte und die nun wieder auf mich zu kommen. Will ich beatmet werden? eigentlich so eine leichte Frage , eine leichte Antwort, warum fällt es mir so schwer? Warum Zweifel ich die Entscheidung, die ich in meiner Patientenverfügung getroffen habe an?

So wie es ist kann es nicht weitergehen das weiß ich auch aber was ist verdammt noch mal die Lösung?

Ich bin so frustriert so wütend darauf wie dieses Leben mir, meiner Familie und so vielen anderen Betroffenen mitspielt. Was ist mit diesem Scheiß Satz “Frau Niese, tun sie jetzt schöne Dinge, Dinge die ihnen Spaß machen! Genießen sie ihr Leben”

Jaaaaaaaaaa wieeeeee dennnnnnnn? Ich bin doch einfach nur dabei zu überleben. Diesen Monat Theater mit dem Kindergeld, nächsten Monat kommt garantiert wieder etwas neues. Die Kinder brauchen kurze Hosen, neue Schuhe und das Geld reicht nieeeeeeeee…. Urlaub ist dieses Jahr abgesagt… ob ich es nächstes Jahr schaffe? Keine Ahnung!

Kann sich irgendeiner dieser sesselbepupsenden Mitarbeiter vom Amt, von der Krankenkasse oder von den Politikern eigentlich vorstellen wie unfassbar ätzend diese Situation ist in der sich so viele Familien und noch furchtbarer Weise Kinder befinden? Ist denen eigentlich klar das ich hier eine art von Krieg führe, mein leben ein Schlachtfeld ist? Und meine einzige Waffe dagegen ist stark zu sein und zu lächeln? Für meine Kinder! Das wir hier Suppe aus Wasser kochen und versuchen den Kindern glaubhaft zu erklären das sie Fleisch enthält? Ich lebe in einer scheiß Ruine… mein Körper ist eine Ruine in der ich meinen Kindern aus bunten Stofffetzen versuche eine Höhle zu bauen und ihnen Märchen von der wunderbaren Welt erzähle und von dem schönen Leben das uns noch erwartet. Aber in Wirklichkeit hören sie immer wieder das es so viel nicht möglich ist!

Ich lade hiermit alle übersättigten und überreichen Menschen, die sich vor lauter Langeweile ihr Gesicht kaputt operieren dazu ein, eine Woche Urlaub in diesem , meinem Leben zu machen. Die sich ihr 50. Auto kaufen während sich andere nicht mal einen neuen Sitz für ihren Rollstuhl leisten können um ohne Schmerzen sitzen zu können! Politiker die die Probleme der Welt zu lösen scheinen und gar nicht sehen was hier gerade passiert. Die Diäten erhöhen und Brücken über Straßen oder Flüsse bauen die es gar nicht gibt, weil sie sich nämlich niemals und auch nur ansatzweise die Mühe machen nach zu schauen wo Brücken wirklich gebaut werden müssten!

Nennt es soziales Projekt, nennt es Frust, nennt es von mir aus ungerecht von mir aber dies musste mal raus !

Und nun werde ich meine Zauberstab schwingen und diese Gedanken ganz schnell wieder verbannen und die höhle aus bunten Stofffetzen bauen, damit, wenn meine Kinder gleich aus der Schule kommen einen schönen Platz haben in dieser unserer kaputten Welt und Märchen von dem hören was alles möglich wäre, was man alles erreichen und tun könnte wenn man nur fest genug daran glaubt!

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3 Responses to Der Punkt…

  1. Sietha Seehaber

    Hallo Frau Niese,
    habe heute Ihr Tagebuch gelesen und muss sagen …..toll geschrieben. Mit soviel Wahrheit. Schön, dass Sie die Gefühle raus lassen können. Das ist so wichtig. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Ihre Träume in Erfüllung gehen.

    Liebe Grüße
    S.Seehaber

  2. Dana Höcke-Asabre

    Liebe Sabine,
    Ich bewundere deine Kraft und deine Fähigkeit, deine Gedanken und Gefühle so klar auszudrücken.
    Ich verfolge die Beiträge auf fb und es öffnet mir ein Fenster ins Leben von Betroffenen. Ich selbst gehöre zu der “betreuenden” Seite, bin Krankenschwester im Intensivbereich.
    Entscheidungen, wie du sie (tagtäglich) treffen musst, sind schwer und niemand kann sie dir abnehmen. Schon im “normalen” Leben verzweifeln viele an den Belastungen die das Leben zu bieten hat. Du hälst den Kopf hoch und hast einen Partner, der dich unterstützt. Ich möchte dir nur sagen, dass ich euch als Familie sehr bewundere für alles, was ihr bisher erreicht und getan habt sehr bewundere. Davon kannst du dir zwar nichts kaufen, aber ich ziehe den Hut vor dir und deiner Familie.
    Auch ich verstehe die reichen Bonzen nicht, die zig Autos haben, sich Millionen-Schmuck kaufen oder oder oder… Auch ich kann in diesem Jahr nicht in Urlaub fahren. Ich bin mir aber durchaus meiner Gesundheit bewusst, sehe unterschiedliche Krankheiten jeden Tag. Nicht jeder setzt sich so aktiv mit seiner Krankheit auseinander wie du, viele kommen nicht so weit wie du bis jetzt gekommen bist.
    Du und deine Familie, ihr werdet die richtigen Entscheidungen treffen.
    Viele Grüsse,
    Dana

  3. Liebe Sabine,
    ich verfolge Ihre HP schon sehr lange, Ihren Weg, Ihre Art mit der Krankheit umzugehen, Ihre Hochs und kleinen Glücksmomente und die vielen beschriebenen Tiefschläge.
    Ich könnte Ihnen jetzt, wie viele andere, meine Hochachtung aussprechen, aber das ist nicht nötig, Sie haben sie schon bei mir und ich würde Ihnen furchtbar gerne Mut machen und Ihnen irgendetwas sagen, was Sie weitermachen und nicht aufgeben lässt.
    Ich könnte sie auf unseren persönlich durchschrittenen Weg hinweisen, aber das ist es eigentlich auch nicht, was ich sagen möchte.
    Ich möchte Sie bitten, nicht aufzugeben, solange Sie es können, für sich,für Ihre Familie, für Ihre Kinder und für Ihren Mann.
    Ich denke, dass für Ihre Familie wichtig ist, dass Sie da sind, dass Sie an ihrem Leben teilhaben, dass sie Sie begrüßen können, sie liebhaben und sie mit Ihnen reden können.
    Wenn man einen Menschen liebt, ist es nicht wichtig, wie “vollständig” jemand ist.
    Wichtiger ist Nähe, Vertrauen und Liebe.
    Sie sind nicht alleine, Ihr Mann und Sie teilen viele Jahre Erinnerungen, Leben und nicht zuletzt drei wunderbare Kinder.
    Entscheidungen, die für Sie vielleicht jetzt anstehen und die doch schon so sicher schienen, sind auf einmal längst nicht mehr so glasklar.
    Es hat uns auf unserem Weg geholfen, dass wir immer Hilfe bei einer uns vertrauten Neurologin finden konnten, die mit der Thematik der Erkrankung voll vertraut war und auf dem neuesten Wissensstand.
    Alle anstehenden Probleme konnten wir offen ansprechen,aber es gab kein Drängen in die ein oder andere Richtung.
    Ich wünsche Ihnen, dass Sie so eine Vertrauensperson haben oder finden.
    Die Entscheidungen muss man alleine, oder in Abstimmung mit dem Partner
    treffen, aber es tut gut, wenn man sie nicht alleine tragen muss und wenn man weiß, dass nichts unumstößlich ist.
    Ich hoffe, Sie verzeihen mir meine persönlichen Worte und ich wünsche Ihnen von Herzen eine gute Sommerzeit !
    Und übrigens, das neue Layout der Homepage gefällt mir sehr gut!
    Herzliche Grüße
    Anke Lux

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